Die erste Staffel der größtenteils gelungenen Videospiel-Adaptation von Tales of Zestiria ist vorbei. Dabei ist die Produktion von Studio ufotable, das mit hoher Animationsqualität nicht nur bereits seit Tales of Xillia aus dem Jahr 2011 für überaus anschauliche Cutscenes in den Spielen sorgt, sondern auch bei anderen Anime wie Garden of Sinners, Fate/Stay Night Unlimited Blade Works oder der Adaptation zu Tales of Symphonia echte optische Hingucker gezeigt hat, wie gewohnt auf hohem Niveau. Auch computergenerierte Grafik findet hin und wieder ihren Einsatz und konnte meistens passend eingebaut werden, insgesamt sticht es nur selten negativ ins Auge. Begleitet wird das ganze zum Großteil vom wunderbaren und den Gamern bekannten Original-Soundtrack, der definitiv zu überzeugen weiß.
Doch was den Anime so besonders macht und auch deutlich gegenüber dem derzeit in Deutschland laufenden sowie etwas schwachen Manga abhebt ist seine alternative Erzählung der Handlung, die oftmals von der Vorlage abweicht. Bereits der Prolog zeigte bis dahin völlig unbekannte Geschehnisse zu Hylands Prinzessin und zugleich tapferer Ritterin Alisha, die unmittelbar vor dem Spielstart im Dorf Elysia stattfanden und zugleich diverse Fragen aufkommen ließen, da dort gezeigte Antagonisten erst in Staffel 2 ihren richtigen Auftritt erhalten werden. Tales of Zestiria the X hält diesen erwähnten Start allerdings sehr kurz und beschränkt ihn auf die erste Folge. Wer noch die ausführlichere Variante zu Gesicht bekommen möchte kann dies mit dem TV-Special „Dawn of the Shepherd“ nachholen.
Die Geschichte wird in einem mittelalterlichen Fantasy-Setting erzählt, in der Bosheit negative Folgen auf Lebewesen haben kann. Durch zu viele negative Emotionen verwandeln sich Bürger oder Tiere in sogenannte Hellions, die einfach gesagt für Menschen unsichtbare wilde Bestien sind und fatale Auswirkungen auf die Umgebung besitzen. Laut den uralten Legenden im Himmelsverzeichnis, einem dicken Buch das Protagonist Sorey in seiner Kindheit mehrmals gelesen hat, kommt in regelmäßigen Abständen ein Hirte zum Vorschein, der die Kraft der Läuterung besitzt und somit Hellions in ihren ursprünglichen Zustand zurück verwandeln kann.
Neben den Menschen gibt es auch die geisterhaften Seraphim, die einst in Frieden miteinander lebten und deren Koexistenz immer mehr gefährdet zu sein scheint. Sorey wuchs bei den Seraphim auf und ist somit in der Lage, sie wahrzunehmen. Durch diese Bedingungen gelang es ihm auch die Rolle des neuen Hirten zu übernehmen, der fortan die Bosheit der Welt bezwingen sollte.
Nach den ersten Folgen, die die Grundprinzipien erklären und inhaltlich leider nur recht langsam vorankommen, wird allerdings klar, dass die Story weit mehr beinhaltet. So stehen die zwei großen Reiche Hyland und Rolance unmittelbar vor einem Krieg, in den Sorey und die anderen direkt verwickelt werden. Insbesondere in den letzten Episoden wird hierauf stark eingegangen und in der kommenden Staffel dann bestimmt genauer unter die Lupe genommen. Gleiches gilt hoffentlich für die Figuren, welche zwar bereits grobe Charakterisierungen erhalten haben, aber weiterhin das gewisse Etwas fehlt. Punkten kann der Anime wiederum mit seinen flüssigen Kämpfen und dem Prinzip der Armatisierung, die eine Fusion von Sorey und einem Seraph bedeutet. So wird nicht nur die Kraft von beiden vereint, sondern den neuen Attacken und Fähigkeiten auch ein bestimmtes Element zugewiesen.
Aber warum heißt die Serie überhaupt „The X“ bzw. „The Cross“? Das ist ganz einfach: Folge 5 und 6 lassen sich vom Rest trennen und geben einen Einblick auf den neusten Ableger des Franchises: Tales of Berseria. Bereits kurz nach Release der 6. Folge erschien Berseria in Japan, während man in Europa noch bis 2017 auf den Titel warten muss. Zeitlich gesehen lässt sich der Teil lange vor Zestiria anordnen, beide befinden sich allerdings im gleichen Universum und im Spiel soll es auch, wie ich mitbekommen habe, diverse Verbindungen zu Zestiria geben. Man vermutet weiterhin, dass die Aktion hauptsächlich zu Werbezwecken geschah. Ob die neue Staffel allerdings doch noch Bezug zu Berseria aufbauen wird bleibt in den Sternen geschrieben. Da ich selbst das Erzähltempo bis einschließlich Folge 7 zu langsam fand kamen mir diese zwei Zusatzepisoden nicht gerade recht. So haben sie zwar mit einer relativ kaltherzigen Protagonistin für abwechslungsreiche Unterhaltung gesorgt, die eigentliche Haupthandlung aber noch weiter hinausgezögert, als es eh schon gemacht wurde.
Fazit:
Tales of Zestiria hat bei mir trotz kleiner Mängel einen soliden Eindruck hinterlassen. Da ich selbst wirklich nicht nur ein sehr großer Fan des Spiels bin, das in meiner persönlichen Rangliste derzeit sogar den zweiten Platz belegt, sondern allgemein der Reihe, waren auch meine Erwartungen entsprechend hoch. Zum Großteil sind sie erfüllt worden, was ich vom Manga dagegen nicht behaupten kann. Damit möchte ich schlicht und ergreifend sagen, dass ich mich nur schwer in die Lage von denen versetzen kann, die zuvor noch nie in Kontakt mit Zestiria getreten sind und daher wohl auch einen anderen Blick auf das Werk habe. Nichtsdestotrotz spreche ich hier offen eine Empfehlung für Fantasy Fans und allgemein Interessierte aus, wobei mir in der neuen alternativen Handlung nicht so ganz ein roter Faden wie im Original zum Vorschein kam. Ebenfalls war ich leicht enttäuscht, dass die verseuchte Stadt Marlind mit seiner Thriller- und Mystery-Stimmung nur kurz nebenbei behandelt wurde, da sie nicht wirklich relevant für die Hauptgeschichte ist. Ansonsten lege ich selbstverständlich jedem die Videospielreihe ans Herz, der etwas mit JRPGs und Echtzeitkämpfen anfangen kann.
Von den 53 Spielstunden, die ich für die Story benötigt hatte, wurden mit den bisherigen Folgen geschätzt 15 abgearbeitet, wobei teilweise große Unterschiede in den Geschehnissen waren und man noch Zeit abziehen muss, die ich später mit Erkunden und Quests verbracht habe. Wie lange wir für Staffel 2 warten müssen steht noch nicht fest, aufgrund der starken Animationsqualität wird diese sicherlich wieder nicht im wöchentlichen Rhythmus sondern komplett vorab produziert, was hoffentlich nicht allzu lange dauern wird. Ich persönlich freue mich bereits auf die Fortsetzung, denn dann geht’s erst richtig los!