So zum Wochenende gibt es dann das erste Kapitel meines Romans. Das Ganze wird etwas länger als der Prolog.
Also viel Spaß damit. Ich hoffe es gefällt euch.
1. Der Anfang allen Übels
Das Dareh Flachland, das zu den fruchtbarsten Landstrichen des Königreichs Avalons gehörte, drohte in Dunkelheit gehüllt zu werden, als die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand. Im Süden dieser gewaltigen Ebene erkannte man nur schemenhaft das kleine Bauerndorf Tarin, dass von den letzten wärmenden Strahlen nur spärlich erleuchtet wurde. Richtete man den Blick gen Norden, erblickte man kaum sichtbar den größten Wald des Königreichs, den Asrar Wald. Er breitete sich weit über das Blickfeld aus. Das schwindende Licht verwandelte den sonst so lebensfrohen Forst in einen dunklen einsamen Ort, dessen Stille nur durch die Schreie von Vögeln durchbrochen wurde. Einzig der Fluss Dareh, wagte sich durch diesen Wald und schlängelte sich majestätisch über das Flachland. Am Rande, des von der Abendsonne blutrot gefärbten Flusses, trainierte ein kräftiger, junger Mann mit dem Schwert. Der Name des Jungen war Seki. Das sonnengebräunte, gepflegte Gesicht wirkte konzentriert und die strahlend blauen Augen blickten entschlossen in den Himmel. Die Nase saß am rechten Fleck und die Lippen, durch die er sanft ein- und ausatmete, lächelten zufrieden. Die schulterlangen braunen fast dunkelblonden Haare verliehen ihm ein wildes Erscheinungsbild und wiegten sich sanft im Wind. Man sah seiner Kleidung an, dass er häufig arbeitete. Auf der braunen Hose waren Flecken, die von der Ackererde stammten. Auch das weiße Hemd war verschmutzt, und obwohl er barfuß war, rutschte er nicht auf dem feuchter werdenden Gras aus. Eine Weile übte er noch, bis er innehielt und um in den späten Abend zu lauschen. Dabei fiel der Blick kurz auf das Schwert in seiner Hand. Es war nicht besonders fein verarbeitet noch war es viel wert, doch für ihn hatte es eine große Bedeutung. Er bekam es vor sechs Jahren von seinem Vater geschenkt, als er anfing den Schwertkampf zuerlernen. Es hatte eine spitzzulaufende, gerade Klinge, die trotz ihrer Abnutzungserscheinungen scharf war. Das Heft war ebenfalls schlicht gearbeitet, bestehend aus einem runden scheibenförmigen Stück Stahl. Der Griff war mit schwarzen Leder umwickelt und endete in einer Öse, an der ein Faden mit einem sonnenförmigen Amulett hing. Erst einige Sekunden später erkannte man, was er augenscheinlich schon lange gehört hatte. Ein Knacken eines Zweiges kündigte das Kommen einer Person an. Schließlich erschien eine hünenhafte Gestalt hinter ihm und näherte sich langsam. Man erblickte einen großgewachsenen Mann mit breiten Schultern und braunen kurzen Haaren. Der Hüne wirkte auf den ersten Blick furchterregend, denn einige Narben zierten sein Gesicht. Doch schaute man genauer hin, bemerkte man ein freundliches Gesicht mit einem stoppeligen Dreitagesbart und wachsamen braunen Augen, die auf Seki gerichtet waren. Endgegensatz zu Sekis Antlitz war das seinige alles andere als gepflegt aber auch erfahrener. Die braune Jacke, die er trug, war aus groben Stoff gearbeitet wurden, darunter befand sich ein graues Hemd. Die gräuliche Hose war verschmutzt, wahrscheinlich durch die Feldarbeit, die er täglich leistete, als Ausgleich dafür das er hier leben durfte. Der Hüne überragte Seki um zwei Köpfe. Schließlich drehte Seki sich zu ihm hin und fragte: »Na Van. Was möchte Aron diesmal von mir?«
»Er möchte, dass du zum Abendbrot kommst«, brummte Van und nickte in Richtung des Waldes, der kaum noch sichtbar war. Nur die Umrisse der Baumwipfel hielten sich wacker in der anrückenden Finsternis.
»Ich mach mich gleich auf den Weg«, antwortete Seki gelassen und sah auf den Fluss, um dem Geräusch des fließenden Wassers zu lauschen.
»Hast du den ganzen Tag trainiert?«, stellte Van kopfschüttelnd fest, » Du bringst dich noch um Kopf und Kragen.«
»Das lass mal meine Sorge sein, Van. Außerdem muss man fit bleiben, dass würde dir auch gut tun«, bemerkte er grinsend.
»In den letzten Monaten hast du ganz schön zu genommen mein Freund. Ein bisschen Training mit deiner Axt würde gewiss nicht schaden, oder?«
»Willst du auf deine charmante Art und Weise etwa feststellen, dass ich fett bin?«, fragte Van mit einem flötenden Tonfall und legte den Arm über seine Schulter.
»Na ja sagen wir mal ein bisschen pummelig. Man muss es ja nicht unbedingt fett nennen«, erklärte Seki lachend und ließ den Blick über den Horizont schweifen.
»Du meinst also, ich sei pummelig«, antwortete Van glucksend und dachte einen Moment nach: »Ich glaube, damit kann ich leben.«
»Heute machst du dich noch auf den Weg nach Tarin oder?«
»Ja, geh ich. Die Ernte muss verkauft werden und ich bring uns das Nötigste mit. Vielleicht finde ich auch was für deinen achtzehnten Geburtstag. Aber nur wenn du auch schön brav bist.«
»Na denn bis morgen alter Freund. Lass dich nicht Bescheißen, klar«, verabschiedete Seki ihn wohlwollend.
»Da mach dir mal keine Sorgen. Das trauen sich die Meisten gar nicht. Also dann bis morgen. Bleib schön brav, sonst gibt es das Geschenk nicht«, sagte er augenzwinkernd und stapfte davon. Nachdem er nicht mehr zu sehen war, befestigte Seki das Schwert am Gürtel und zog die Lederstiefel an, bevor er sich auf den Heimweg machte.
Es vergingen einige Minuten bis in der Ferne eines kleines, hölzernes Haus auftauchte, dessen Fenster einladend in den Abend strahlten. Als er angekommen war, öffnete er langsam die Haustür. Ein schlichtes Zimmer kam zum Vorschein, das sowohl Küche als auch Wohn- und Schlafzimmer darstellte, trotzdem wirkte es sehr gemütlich. In der Mitte dieses Raumes war ein einfacher Holztisch auf dem Brot, etwas Wurst und Käse, lag. Im linken Teil des Hauses standen drei Feldbetten, die nicht besonders bequem aussahen, aber ihren Zweck erfüllten. Am anderen Ende der Stube prasselte ein wärmendes Feuer im Kamin, das ihn in ein heimliches Licht tauchte. Neben der Feuerstelle lehnte ein alter Mann und schaute mit den blauen Augen liebevoll zu Seki rüber, der gerade durch die Tür hinein trat. Das gräuliche Haar. Das faltige Gesicht verbunden mit dem langen grauen Vollbart, den er sicher über viele Jahrzehnte wachsen gelassen hatte, zeugten vom seinem Alter. Der Greis trug ein braunes schlichtes Gewand, das keineswegs abgenutzt war, sondern sehr sauber. Das ließ vermuten, dass er nicht mehr auf dem Feld arbeitete, was man ihm in dem stattlichen Alter nicht übel nehmen konnte.
»Da bist du ja endlich mein Sohn«, begrüßte ihn der Mann freundlich, »Was hast du so lange gemacht?«
»Ich habe ein bisschen trainiert, Vater«, erwähnte Seki und der Blick schweifte auf den Tisch. Sein Hunger war viel gewaltiger als er vermutet hatte und der Geruch des Käses lag verführerisch in der Luft.
»Auch wenn ich deine Hingabe bewundere, mit der du dein Schwert führst. Solltest du wissen, dass es mehr im Leben gibt«, belehrte ihn der Alte.
»Ist gut Vater. Ich werde es mir merken. Versprochen«, antwortete er mit rollenden Augen. Er hoffte, dass es sich erledigt hatte.
»Na gut das will ich hoffen. Nun iss, bevor es schlecht wird.«
Das ließ er sich nicht zwei Mal sagen und nahm an dem Tisch Platz. Eilig schmierte er sich eine Brotscheibe und legte ein Stück Käse darauf um es zugleich hungrig in den Mund zu stopfen. »Morgen wirst du bereits 18 Jahre alt«, bemerkte Aron und musste an frühere Zeiten denken. Als Seki ein kleiner Junge war und den ganzen Tag damit beschäftigt, war irgendwelchen Unfug zu treiben. Er schwelkte eine Weile in Erinnerungen, bevor er sich wieder Seki zu wand, der mittlerweile die dritte Scheibe Brot vertilgte.
»Nicht zu fassen, wie schnell das alles doch vergangen ist. Für mich ist es, als wäre das alles noch gar nicht so lange her, aber wir leben nun schon vierzehn Jahre hier.«
»Du hast Recht«, antwortete Seki schmatzend und schob bereits den nächsten Bissen nach um den Hunger zu stillen.
»Ach mein Junge«, sagte Aron lächelnd und legte die Hand auf die Schulter seines Sohnes, »Hast du eigentlich einen Wunsch für Morgen?«
»Hmm, ich weiß nicht so recht«, begann Seki und dachte einen Moment nach, bis sein Blick auf das Schwert fiel und er sagte: »Über ein zweites Schwert würde ich mich freuen.«
Gespannt wartete er die Reaktion ab und hoffte insgeheim das er zustimmen würde.
»Ein zweites Schwert also«, wiederholte Aron und setzte ein breites Lächeln auf. Doch dann versank er in Gedanken und sagte für eine Weile nicht ein Wort. Für Seki war dieser Moment schrecklich. Die Aufregung darüber ob er ja sagen würde steigerte sich ins Unermessliche. Das Schweigen Arons machte es nur noch schlimmer, bis er Seki ernst in die Augen sah und bemerkte: »Ich denke, du bist so weit.«
Er blickte Seki dabei unentwegt an, als wolle er prüfen, ob er richtig lag.
»Für was bin ich bereit?«, wollte Seki aufgeregt wissen und rutschte nervös auf der Sitzfläche des Stuhles umher.
»Du wirst dein zweites Schwert bekommen«, verkündete Aron schließlich, »Morgen, wenn Van aus Tarin zurückkommt, nehmen wir uns den Wagen und reiten zu Soran. Er hat etwas für mich verstaut und ich glaube, es wird dir gefallen. Nein, ich bin mir sogar sicher.«
»Wirklich?«, fragte Seki aufgewühlt und konnte es gar nicht erwarten es in die Finger zubekommen. Als Aron lächelnd nickte, stand er auf und umarmte ihn herzlich.
»Wie sieht es denn aus?«, wollte er wissen und sah den Alten bettelnd an.
»Na, na Morgen wirst du es schon sehen. Also übe dich in Geduld, Seki«, erwiderte er lächelnd über die Begeisterung seines Sohnes.
»Auch nicht, wenn ich verspreche, ein Monat das Haus sauber zu machen?«, harkte Seki sicherheitshalber nach.
»Nein, auch dann nicht«, schmunzelte Aron und ging zu seinem Bett rüber, »Warte ab. Morgen wirst du sehen und ich werde dir eine kleine Geschichte erzählen. Also gute Nacht.«
Bevor er noch etwas sagen konnte, hatte er sich hingelegt und zur Wand gedreht.
»Gute Nacht, Vater«, grummelte Seki widerwillig und räumte den Tisch leer, ehe er sich ins Bett legte. Während er versuchte einzuschlafen überlegte er, was das wohl für eine Geschichte war, die ihm sein Vater erzählen wollte. Am meisten beschäftigte ihn das Schwert. Nach einigen Minuten war er schließlich eingeschlafen, und träumte vom morgigen Tag.
So verging die Zeit, bis die Natur endlich zu neuem Leben erwachte und die Sonne ihren Weg zum Himmel suchte. Kaum erreichte das Sonnenlicht die Hütte und streichelte sanft das Gesicht von Seki erwachte er aus einem sehr unruhigen Schlaf. Als er bemerkte, wie früh es eigentlich war, begann er leise vor sich hin zu fluchen. Neben ihm im anderen Bett ruhte Aron sanft und schien sich von den Sonnenstrahlen nicht stören zu lassen. Er entschloss sich raus zu gehen, einschlafen könnte er so wieso nicht mehr. Jetzt wo er schon hellwach war und aufgeregt auf das Geschenk. Außerdem musste er irgendwie die Zeit rumkriegen. Leise öffnete er die Tür, die gequält quietschte. Sofort sah er zu seinem Vater rüber, doch dieser schlief noch immer. Gleich verließ er das Haus und schlenderte über das taunasse Feld in Richtung des Flusses. Nach einigen Minuten erschien der Dareh am Horizont und glitzerte in der morgendlichen Sonne, wie flüssiges Silber. Als er den Fluss erreichte, setzte er sich ans Ufer und genoss den Sand zwischen den Fingern. Hier hielt er sich am liebsten auf, da konnte man sich entspannen und in Ruhe nachdenken. Hier gab es nichts, was die Gedanken stören könnte. Ab und zu zwitscherten ein paar Vögel oder ein Grashüpfer begann zu zirpen. Ansonsten war an diesem Ort keine Menschenseele und Seki schaute gedankenverloren in den sanft dahinfließenden Dareh. Es verging eine Weile, bis die ersten Tiere erwachten und die Fische mit ihrem alltäglichen Schauspiel anfingen. Er ließ die Gedanken beiseite, als ein kleiner Fisch in sein Blickfeld sauste. Er begann die Fische zu beobachten, die sich daran machten einige Larven aus dem Fluss zu fangen. Während er vor sich hinträumte, stieg die Sonne höher und tauchte nun alles in ihr strahlendes Licht. Die Blumen auf dem Feld öffneten sich langsam und färbten das triste einseitige Grün der Wiese in ein farbenfrohes Meer. Die Bienen summten und sammelten fleißig den Nektar der gerade erwachten Blüten. Plötzlich zerriss Geschrei von Männern, den morgendlichen Frieden. Die Männer oder besser Ritter trugen eine im Licht leuchtende Rüstung. Sie trieben die Pferde zu Höchstleistungen an. Er schüttelte missbilligend den Kopf über diese Art von Tierquälerei.
»Was tun sie bloß den armen Pferden an?«, murmelte er ruhig vor sich hin. Doch, als er bemerkte, in welche Richtung die Ritter ritten, war es aus mit der Ruhe. Sie hielten direkt auf Arons Haus zu. Aus reiner Vorsicht rannte er ihnen nach. Es konnte nicht schaden auf Nummer sicher zugehen.
Als er sein Heim erreichte, waren sie bereits dort. Die Pferde hatten sie draußen gelassen. Er überlegte, ob er sofort rein gehen sollte. Entschloss er sich erst mal zu lauschen, das erschien ihm klüger. Er schlich sich leise an eines der Fenster, das zum Glück offen stand, heran. Im Gebäude standen sechs Männer, alle in Rüstungen mit dem herzöglichen Wappen von Basol auf der Brust. Sie trugen Helme, die ihre Gesichter verbargen. Der augenscheinliche Anführer, dessen Rüstung besonders prächtig aussah und auf dessen Helm eine große und sehr schöne Feder saß. An seinem Gürtel hing ein glänzendes Einhandschwert. Auf dem Rücken trug er einen schuppenförmigen Schild, auf dem ein weißer Adler sich in voller Pracht aufbäumte. Dies war das Wappentier von Basol. Er war groß, kräftig gebaut, was ihn deutlich von den anderen Rittern abhob. Der Anführer stand vor Aron und verwickelte ihn in ein Gespräch, die anderen hatten sich im Haus verteilt. Zwei standen an der Tür und die anderen drei hatten sich um den Alten gestellt, um im Notfall eingreifen zu können. Dann schob der Große das Visier hoch, dabei kam sein angsteinflößendes Gesicht zum Vorschein. Die krumme Nase verlieh ihm ein böses und grimmiges Erscheinungsbild und die pechschwarzen Augen, die starr auf Aron gerichtet waren, wirkten entschlossen und ernst. Als der Anführer mit seiner dröhnenden Stimme zu sprechen begann, kräuselten sich Sekis Nackenhaare.
»Wo ist der Junge, alter Mann?«, drohte der Mann mit dem Schwert an Arons Kehle, »Na los, sag schon oder es wird dir leidtun!«
Aron schob das Schwert sanft mit der Fingerspitze zur Seite und sah zum Fenster, bevor er erwiderte: »Ich weiß nicht, wovon ihr redet, mein Herr. In diesem Haus wohnen nur zwei Gehilfen, die gerade in Tarin sind und die Ernte verkaufen. Einen Jungen gibt es in hier nicht, wenn doch wüsste ich wohl davon oder etwa nicht?«
Seki war überrascht darüber, wie gut er lügen konnte, aber was wollten die Männer von ihm. »Mach dich nicht über uns lustig! Ich weiß genau das der Junge hier lebt. Also hör auf zu lügen! Verstanden alter Mann.«
Für einen Moment hielt er inne und kratzte sich an der Nase. Als ein hinterhältiges Grinsen über sein Gesicht zuckte, setzte er fort: »Ich bin auf Befehl des Herzogs hier. Widerstand könnte Konsequenzen für euch haben. Also wo ist er?«
»Erstens ich weiß nicht, wovon ihr sprecht. Zweitens ist der Herzog von Basol nicht mein Herzog, also würde ich es dir auch nicht sagen, wenn ich es wüsste!«, gab Aron sehr entschlossen zu verstehen. Der Alte hatte keine Angst vor den Männern, dabei sie in Überzahl waren. Seki begann sich zu fragen, was der Herzog von ihm wollte. Plötzlich ertönte ein herzzerreißender Schrei. Der Anführer versenkte in diesem Augenblick einen Dolch tief in Arons Körper.
»Ach ja, ich vergaß, zu erwähnen, dass ich auch eine Order für euch erhielt, Aron. Überrascht das ich euren Namen kenne? Ich kenne auch den Namen eures Sohnes. Seki nicht wahr«, bemerkte er schadenfroh grinsend. Aron war überrascht, er hatte seinen Gegner unterschätzt. Der Mann drehte den Dolch mit Leichtigkeit in seinem Körper herum, um ihm noch mehr Schmerzen zu zufügen, als er sowieso schon hatte. Er schien sich an der Pein, die Aron erlitt zu ergötzen. Daraufhin sank er todgeweiht zu Boden. Der Mann zog das Messer aus dem Körper und wischte das Blut in dessen Kleidung ab.
»Das war ja schon mal einfach. Jetzt nur noch der Junge und ich kann wieder zurück nach Basol«, stellte er ruhig fest und sah sich um.
»Wo kann er wohl stecken? Vielleicht sollten wir wirklich nach Tarin reiten und uns davon überzeugen, ob der alte Sack die Wahrheit gesprochen hat.«
Das war zu viel. In diesem Augenblick sprang Seki mit gezogenem Schwert durch das Fenster. Das Gesicht vom Zorn verzerrt und die Augen starr auf den Anführer der Ritter gerichtet. Er war entschlossen sich gegen sie, zu behaupten.
»Ah, wenn man von Henker spricht, da ist er ja schon. Danke das du es uns erspart hast dich zu suchen. Das hätte nur Zeit verschwendet«, dröhnte er selbstgefällig und sah Seki drohend in die Augen.
»Du verfluchter Mörder, dafür büßt du. Dann wirst du dir wünschen niemals hergekommen zu sein«, schrie Seki zornig und richtete das Schwert auf den Mann. Bereit ihn zu töten, wenn er sich rührte.
»Oh, da bekomme ich ja richtig Angst«, spottete er und legte die Hand auf den Knauf des Schwertes, », soll ich jetzt etwa um mein Leben flehen oder was? Nein, ich befinde mich in einer eindeutig besseren Position. Oder glaubst du, dass du es, mit uns allen aufnehmen kannst. Ihr da«, er zeigte auf die zwei Ritter an der Tür, »ergreift ihn!«
Die beiden stürmten mit gezücktem Schwert auf Seki zu. Der Erste griff an. Er wich dem Schlag mit einem Seitwärtsschritt aus und schlitzte dem Angreifer die Kehle auf. Aus der das Blut heraus sprudelte, der schwer verwundete Ritter sackte zuckend zu Boden und Seki nahm das Schwert des Toten in die linke Hand. Der zweite Ritter blieb statt anzugreifen unentschlossen stehen und wirkte entmutigt.
»Na los du Feigling ich habe dir einen Befehl erteilt. Oder willst du mir etwa sagen, dass du Angst vor einem Kind hast«, bellte der Anführer und verfolgte gespannt das Geschehen. Einen Moment kämpfte der Angesprochene mit sich selbst, offenbar hing er an seinem Leben, bis er sich entschloss, dem Befehl nachzukommen. So stürmte er mit erhobenem Schwert auf Seki zu. Seki parierte den Schlag erneut mit der Waffe in der linken Hand und schlug mit dem anderen Schwert zu. Doch der Ritter schlug das Schwert mit dem Schild weg. Daraufhin verpasste Seki ihm einen Tritt in die Magengegend, der vom Schmerz gepackt zu Boden stürzte. Seki machte einen gekonnten Schritt auf ihn zu. Dann rammte er die Klinge tief in den Körper des Ritters, der nur ein gequältes Gurgeln von sich gab. Dann blieb er regungslos liegen. Erneut wendete Seki die Aufmerksamkeit auf den Anführer, der anfing zuklatschen und sagte: »Gut gemacht Junge. Sehr erstaunlich, wie schnell du meine Männer geschlagen hast. Es ist ein Jammer, das ich den Befehl habe dich zu töten. Aus dir hätte richtig was werden können. Du hast alle Fähigkeiten, die man brauch, um zu überleben. Sehr bewundernswert. Aber was soll´s Befehl ist Befehl. Du wirst letztendlich genauso sterben wie dieser alte Mann hier.«
Er trat gegen Arons leblosen Körper um Seki noch ein bisschen mehr zureizen und es zeigte seine Wirkung.
»Hör auf«, schrie Seki noch zorniger, »Ich werde dir das niemals verzeihen.«
Sofort preschte er auf ihn zu. Der Ritter nickte jedoch nur lässig mit dem Kopf in die Richtung Sekis. Bevor Seki verstand, was damit gemeint war, bekam er einen Schlag auf den Hinterkopf. Von einem Mann, der neben dem Fenster stand, durch das er gekommen war, und den er vor lauter Wut übersehen hatte. Seki sackte angeschlagen zu Boden, unfähig etwas dagegen tun zu können. Plötzlich erklang eine krächzende Stimme: »Seki mein Sohn ... kannst du mich noch hören ... hust.«
Daraufhin bewegte Seki schwach den Kopf, denn zu mehr ist in diesem Moment nicht fähig. »Wenn du ... hust hier lebend ... hust raus kommst, geh ... hust zu Soran den Schmied ... hust aus Tarin. Dort wartet ... dein Geschenk.«
Es waren die letzten Worte, die Seki von seinem Vater hörte, bevor er tot zusammensackte und Seki vor Erschöpfung ohnmächtig.
»Oh, wie herzzerreißend«, verspottete der Anführer Aron und ließ es sich nicht nehmen gegen den reglosen Körper zu treten.
»Was sollen wir nun mit dem Jungen machen, Lorenz?«, fragte einer und sah den Anführer an. »Gar nichts, lasst ihn liegen und zünden das Haus an um die Beweise zuvernichten. Es soll wie einen Unfall aussehen. Den Jungen lassen wir im Haus. Verstanden!«, befahl er hinterlistig. So verließen die übrigen vier Ritter das Haus und zündeten das Schilfdach, an was lichterloh zu brennen begann. Lorenz schaute noch kurz zu, bis er sich auf das Pferd schwang und losriet, die anderen taten es ihm nach.
Kaum waren sie am Horizont verschwunden, tauchte eine merkwürdige Staubwolke auf. Langsam wehte sie auf das brennende Haus zu, getragen vom Wind. Als sie es erreicht hatte, begann sich aus dem Staub etwas zuformen. Es war ein Mann, verhüllt durch einen langen Umhang. Die Kapuze reichte tief ins Gesicht und verbarg es vor den Strahlen der Sonne. Eilig näherte er sich dem lichterloh brennenden Haus. Er trat die verbarrikadierte Tür ein um sogleich in der glutheißen Hölle zuverschwinden. Einige Minuten später zog er den ohnmächtigen Seki aus dem Haus. Als er ihn im sicheren Abstand abgelegt hatte, vergewisserte er sich nur kurz, ob Seki am Leben war, und blieb noch einen Moment stehen.
»Ich wünsche dir viel Glück«, sagte die Gestalt und begann sich langsam aufzulösen, bis sie gänzlich verschwunden war.
Mittlerweile befand sich Van in Tarin, einem kleinen beschaulichen Bauerndorf, auf dem Rathausplatz im Laden des Dorfschmiedes. Der Laden wirkte einladend im Gegensatz zu den Bauernhäusern um ihn herum, was sich auf den starken Gebrauch von Waffen im Königreich Avalon zurückführen ließ. Im Augenblick gab es große politische Unruhen, die der Großkönig in Lamar mit aller Macht zu bekämpfen versuchte. In diesen unsicheren Zeiten wollte niemand ohne eine ordentliche Waffe das Haus verlassen. Keiner wusste, was alles passieren könnte. Das einzige Gebäude, was es mit der Schmiede aufnehmen konnte, war das prächtige Rathaus im Zentrum des Dorfes. Es war zu gleich die Kirche, was deutlich am Glockenturm erkennbar war, der in diesem Moment zu läuten begann. Die große Uhr an der Spitze des Turmes zeigte 12. In das Rathaus herein kam man nur durch das mächtige schwarze Eichentor, das mit Schnitzereien verziert war. Die Anlage war in einem simplen Schwarzton gehalten, um der Rolle als Kirche gerecht zu werden. Hier fand einmal im Monat das Gemeindetreffen statt. Ansonsten wurde das Gebäude nur für den Gottesdienst am Sonntag genutzt. Um zu Agram, dem Gott des Gleichgewichts, zu beten. Aus der Schmiede gegenüber vom Rathaus drang die tiefe Stimme Vans, der gerade den Schmiedemeister in Beschlag nahm. Ein älterer Mann, der trotz seines Alters fit war. Die kräftigen Arme waren von der harten Arbeit gestählt und der Schweiz stand ihm auf der rußverschmierten Stirn. Das Gesicht war faltig und wirkte sehr freundlich. Er trug eine ebenfalls rußverschmierte braune Latzhose und kein Hemd. Dadurch kam eine muskulöse Brust zum Vorschein. Die Glatze verpasste ihm ein lustiges Auftreten, denn sie schien gar nicht zu dem Gesicht zu passen. »Ist meine Bestellung endlich fertig? Du wolltest schon vor einer Woche fertig sein, Soran. Langsam wird es brenzlig«, fragte Van ungeduldig und pochte mit einem riesigen Zeigefinger auf die Ladentheke. »Immer mit der Ruhe, mein alter Freund«, versuchte Soran den wütenden Van zu beruhigen, »Deine Bestellung liegt hinten in der Werkstatt. Ich bin gerade damit fertig geworden.«
»Agram sei dank. Du bist ein Held, weißt du das?«, schmeichelte ihm Van und umarmte die nichtsahnenden Soran.
»Könntest du mich bitte loslassen. Sonst erwürgst du mich noch«, verlangte er mit erstickter Stimme. Van ließ ihn sofort los und entschuldigte sich wortreich. »Ist ja gut. Lass uns lieber in die Werkstatt gehen und die Rüstung bewundern, die ich für dich angefertigt habe. Sie ist ein richtiges Prachtstück«, bemerkte Soran stolz. Er führte ihn durch eine kleine Eichentür, an der er sich prompt den Kopf stieß. Beinahe hätte ihn der Aufprall von den Füßen gehauen, doch er schaffte es sich an der Tür festzuhalten und so den Sturz zuvermeiden. »Diese verfluchte Tür. Wann lässt du sie endlich größer machen!«, meckerte Van und rieb sich den schmerzenden Kopf. »Das hast du davon, das du so unerhört groß bist«, stellte der Schmied lachend fest. Nach anfänglichen Schwierigkeiten schaffte er es durch die enge Tür. Kaum war hindurch, wehte ihm glühend heiße Luft ins Gesicht. Die von den Schmiedefeuern am Ende der Werkstatt kam. Auf einem hölzernen Tisch in der Mitte der Werkstätte lag etwas unter einem weißen Leinentuch. Soran führte ihn zu dem Tisch und zeigte auf das Tuch. Dabei setzte er eine gewichtige Miene auf und sagte: »Da ist deine Bestellung, damit du endlich aufhörst zu quengeln.« Daraufhin nahm Van das Tuch ab und eine prächtige Rüstung kam zum Vorschein, die auf einem Holztorso befestigt war, um die genaue Form zu bestimmen. Dieser Panzer bestand aus einzelnen Schuppen, die sich jeweils einmal um den Torso herum erstreckten und mit feinen Verzierungen versehen waren. »Und wie findest du sie?«, fragte Soran neugierig.Van schien den Tränen nahe und wischte kurz über die Augen, bevor er sagte: »Wunderschön. Sie ist echt ein Meisterstück geworden. Aber wieso hat das so lange?«
»Das lag daran, dass du sie unbedingt aus Chromant haben wolltest. Denn das ist gar nicht so einfach zu bekommen, weißt du? Aber ich muss schon sagen. Das war eine weise Wahl. Das Chromant bietet einen besseren Schutz als herkömmliches Eisen. Außerdem ist es leichter, was dem Träger das Kämpfen erleichtert«, bemerkte Soran fachmännisch. Chromant war eines der härtesten Metalle, die es auf dem Kontinent Escrima gab, und war auch dementsprechend teuer. »Ich weiß das deswegen wollte ich sie ja unbedingt so haben.«
»Sag mal Van für wen ist die Rüstung überhaupt?«, fragte Soran skeptisch. Während er die Größe der Rüstung mit der Größe von Van verglich und feststellte das sie viel zu klein für ihn war. »Die ist für Seki, er hat heute Geburtstag«, erwähnte Van mit heller Vorfreude und konnte gar nicht mehr stillstehen.
»Du hast ihn wohl richtig ins Herz geschlossen, wenn du bereit bist, ein Vermögen für ihn zu bezahlen.«
»Na ja ich schulde ihm ja was. Er hat mich vor 6 Jahren vor dem Galgen bewahrt. Damit kann ich es ihm zurückzahlen«, erläuterte Van. »Ach so ist das. Na ja für den Jungen ist diese Rüstung genau das Richtige. Trainiert er immer noch so viel?«, fragte Soran beiläufig. »Den ganzen Tag«, zeterte Van, der damit unzufrieden war. »Er hat aber auch eine große Begabung. Ich war vor einer Woche bei euch, um mit Aron ein bisschen über alte Zeiten zu sprechen. Da habe ich mal bei Sekis Training zu geguckt und war erstaunt, wie gut er geworden ist. Es war eine richtige Freude ihm zu zusehen.«
»Ich habe bei dir noch nie gehört, dass du jemanden lobst. Sonst hast du immer was auszusetzen«, erwiderte Van überrascht. »Was soll man machen? Der Junge ist auf dem besten Weg ein großer Krieger zu werden«, meinte Soran mit Kennermiene und versank kurz in Gedanken, bevor er fortsetzte: »Du solltest dir mal ein Beispiel an ihm nehmen und anfangen mit deiner Axt zu trainieren. In den letzten Monaten hast du dich ganz schön gehen lassen.«
»Wieso sagen mir alle immer zu das ich zu fett sei?«, fragte er entrüstest und schaute an seinem Körper hinab. »Na ja, weil es eben so ist«, erwiderte Soran belustigt. »Okay okay ihr habt wohl recht. Ich fange morgen mit dem Training an. Einverstanden?«, fragte Van verärgert, »Und nun tschüss, bevor ich mir noch Gemeckere über meine Person anhören muss.« Er wollte gerade gehen, als ihn der Schmied zurückhielt: »Richte Seki bitte alles Gute zum Geburtstag von mir aus.«
»Na gut. Werd ich machen. Nun Adieu«, sagte Van kurz. Er wollte los und hatte es ein bisschen eilig. »Auf Wiedersehen«, verabschiedete ihn Soran. Während Van die Rüstung vom Tisch nahm und sich erneut durch die enge Eichentür zwängte. Draußen angekommen legte er den Panzer auf den Karren zwischen die Lebensmittel und setzte sich vorne auf den Wagen. Als endlich bequem saß, ließ er die Peitsche knallen und die beiden Pferde trabten langsam los. Er wurde noch von einigen weiteren Dorfbewohnern verabschiedet. Nachdem er das Dorf verlassen hatte, begann Van fröhlich vor sich hin zu pfeifen. Nicht ahnend was in zu Hause erwarten würde.
Lustigerweise ist das Kapitel sogar vor dem Prolog entstanden. Den Prolog habe ich erst geschrieben als ich mit dem eigentlichen Buch fertig war. Ich finde das merkt man deutlich am Schreibstil, der sich während ich das Buch schrieb deutlich verbessert hat.
Ultima modifica del post risale al 10.05.2019 11:40.
Commenti (3)
Aber liest sich wirklich gut, wie der Anfang eines netten Fantasy Abenteuers. :)
Liegt wahrscheinlich an meinem doofen Smartphone. Das macht öfter solche Sachen.